Flüssige Musik ist ein neuer Musikstil, ein Meta-Genre, das Elemente heterogener Musiksprachen integriert und verflüssigt, um einen offenen, fließenden Assoziationsraum für die Zuhörerin zu erschaffen.
Aus einem meditativen und spielerischen Zugang heraus habe ich ein individuell sehr spezifisches Kompositionsverfahren entwickelt, das zugleich in seiner Methodik kollektiv und von anderen Komponistinnen leicht aufgegriffen und sich angeeignet werden kann.
Eines der zentralen Werkzeuge Flüssiger Musik ist ein sehr einfaches: Das rhythmische, vertikale Fundament, das normalerweise ein bestimmtes Genre sofort determiniert, wird einfach weggelassen. Stattdessen wird Rhythmus horizontal organisiert. Die Spannung von einer Note zur nächsten, innerhalb eines bestimmten harmonischen Raums, bestimmt den zeitlichen Verlauf. Die präzise Abfolge ist niemals exakt gleich, sondern ist abhängig von Akustik, dem gefühlten Moment und dem individuellen Empfinden der Interpretinnen. Die notwendige Hingabe an den Klang selbst und dessen Spannungsbeziehungen innerhalb des musikalischen Gewebes, sowie die fortwährende Aufmerksamkeit auf das Agieren und Reagieren der Mitmusiker, erzeugt eine starke Präsenz im Moment. Die verschiedenen Stimmen sind lose miteinander verwoben und erzeugen eine Textur, die man mit den groben Pinselstrichen eines modernen Gemäldes oder mit fließendem Wasser vergleichen könnte. Auf diese Weise kann das Ensemble, vergleichbar mit dem intuitiv geführten Pinselstrich z.B. eines Henri Matisse, große Freiheitsgrade und gleichzeitig eine erstaunliche Präzision und Kohärenz im Kollektiv erreichen.
Diese Methodik bildet einen offenen Rahmen, der es auf spielerische Weise erlaubt, sehr unterschiedliche, oftmals heterogene Elemente, aus vollkommen unterschiedlichen musikalischen Sprachen und Traditionen, in das musikalische Gewebe zu integrieren. Ziel ist es einen Assoziationsraum zu erschaffen, der mit unseren Hörerwartungen und Gewohnheiten spielt, Genre-Zwischenräume auslotet und genug Leerstellen integriert, sodass der musikalische Raum von den aktiven Zuhörerinnen stets in verschiedene Richtungen weitergedacht werden kann. Diese Methode, die Erwartungen erweckt, aber niemals vollumfänglich erfüllt, erlaubt es in ihrer fragmentierten Brüchigkeit eine harmonische Ausgewogenheit und frappierende Schönheit zu erzeugen, die gleichzeitig niemals in abgeschmackte Klischees verfällt.
In dieser Hinsicht ist Flüssige Musik, trotz einer von vielen Zuhörerinnen geäußerten starken visuellen Assoziationskraft, die Antithese zu konventioneller Filmmusik. Diese versucht nicht unsere Hörgewohnheiten zu durchbrechen und zu erweitern, sondern genau umgekehrt, bedient sich zielgerichtet unserer konventionellen Hörgewohnheiten, um eine bestimmte Filmszene emotional aufzuladen.
Meine Flüssige Musik ist grob vereinfacht zwischen drei Säulen aufgespannt, die keinem Konzept geschuldet sind, sondern sich einfach aus meiner jahrzehntelangen Aufführungspraxis als Musiker und meinen individuellen Vorlieben ergeben: Europäische Barockmusik, v.a. Außereuropäische Popularmusik und experimentelle Musikverfahren Neuer Musik.
Auch die Texte für meine Vokalwerke schreibe ich selbst, oft in unterschiedlichen Sprachen, abhängig davon, wo sie auf dem von mir abgesteckten musikalischen Koordinatensystem zu verorten sind, auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Russisch oder auch im steirischen Dialekt.
Die Texte als solche sind künstlerisch freie, poetische Schöpfungen und verfolgen keinen didaktische Zweck oder eine konkrete politische Agenda. Die kosmopolitische Vielsprachigkeit und die musikalische Diversität Flüssiger Musik können jedoch sehr wohl als Ausdruck einer weltoffenen, einschließenden und radikal demokratischen Haltung verstanden werden.
In einer heute stark fragmentierten Welt versuche ich mit meiner Kunst Grenzen, ideologische Zuschreibungen und ein Lagerdenken zu überwinden, um eine Erfahrung von Einssein und ein Gefühl von Verbundenheit und in Beziehung sein zu ermöglichen. Darin spiegelt sich eine humanistisch spirituelle Haltung und die Überzeugung, dass wir die gegenwärtigen, globalen Probleme nur im Bewusstsein lösen werden können, dass wir als eine Menschheitsfamilie alle im selben Boot sitzen.